Aarschot

Aarschot, eine Stadt liegend an den mäandernden Demerufern, versteckt zwischen den abfallenden Hügeln des Hagelandes. Ihre Gemütlichkeit, ihr kultureller Reichtum, ihre fesselnde Geschichte und schöne Lage gaben dieser Stadt nicht umsonst den Beinamen “Perle des Hagelandes”. Aarschot ist eine Entdeckung wert.

Aarschot während des Ersten Weltkriegs

Die Worte von Alexander Powell, dem amerikanischen Kriegskorrespondenten von “The New York World” - einem der ersten Ausländer, der Aarschot während des Ersten Weltkrieges besuchte - sind bedeutungsvoll: ”In many parts of the world I have seen terrible and revolting things, but nothing so ghastly, so horrifying as Aerschot./ In vielen Teilen der Welt habe ich grausame und widerliche Sachen gesehen, aber nichts so ekelerregend, so abscheulich wie in Aarschot”.

Nach der Schlacht bei Aarschot-Ourodenberg am 19. August 1914 zog die deutsche Armee weiter und fiel in die Stadt ein, um von dort aus ihren Aufmarsch nach Löwen fortzusetzen. Fast alle belgischen Soldaten hatten in diesem Augenblick die Stadt schon verlassen. Die Einwohner von Aarschot haben Angst. Mehrere Nachrichten über das rohe Auftreten der Deutschen bei ihrem Einfall in andere Gemeinden haben die Stadt erreicht. Auch die Ereignisse, die sich am vorigen Tag und in dem frühen Morgen in Ourodenberg abgespielt haben, dringen bei den Einwohnern durch.

Auch in Aarschot toben die deutschen Soldaten wie Rohlinge. Häuser werden ausgeplündert, manche auch angezündet, Bürger werden geschlagen und festgenommen. Die Menge der Gefangenen wächst dauernd.

Um ungefähr 3 Uhr nachmittags kommt der Generalstab in Aarschot an. Der Oberst Stenger, der Befehlshaber der achten Infanteriebrigade, zieht mit zwei Offizieren, Schwarz und Beyensdorff, in das Haus des Bürgermeisters ein. Sein Zimmer mit Balkon hat einen Ausblick auf den Großen Markt.

Um sechs Uhr abends steht der Oberst Stenger zusammen mit zwei Offizieren auf dem Balkon. Sie beobachten die Truppen auf dem Marktplatz, der voll mit Wagen und Soldaten steht. In diesem Augenblick passiert eine Proviandkolonne. Danach folgt sofort eine Gewehrsalve. An einigen Stellen in der Stadt wird gefeuert. Deutsche Soldaten behaupten, dass Aarschoter Bürger sie beschießen. Sofort stehen die vorüberziehenden Kolonnen still. Wagen stoßen zusammen. Die Deutschen fangen an, wild herumzuschießen. Während dieser Schießerei, die zwanzig Minuten dauert, wird der Oberst Stenger auf dem Balkon erschossen. Die Deutschen beschließen ohne den geringsten Zweifel, dass es sich um Heckenschützen, ”franc-tireurs” handelt. Die Aarschoter sind in diesem Augenblick davon überzeugt, dass die unzufriedenen Deutschen Meuterei machen. Eine Gruppe von deutschen Soldaten war nicht zufrieden mit ihrem Obersten und wollte sich von ihm befreien unter der Maske eines Aarschoter Volksaufstandes.

Die Vergeltungsmaßnahmen waren hart, besonders hart. Die deutschen Soldaten beginnen eine wilde Suche nach “franc-tireurs”, Heckenschützen. Häuser werden niedergebrannt, fliehende Bürger werden auf dem Großen Marktplatz festgehalten. Die deutschen Soldaten nehmen eine erste Gruppe Jungen und Männer beiseite, bringen sie mit aufgehobenen Händen zum Leuvensesteenweg und exekutieren sie. 75 Bürger sterben. Ein bisschen später wird eine zweite Gruppe auch zum Leuvensesteenweg geführt, aber jetzt etwas mehr in Richtung Löwen, hinter den Bauernhof Stockmans, dort wo jetzt die Sankt-Rochus Kapelle steht.

Der Bürgermeister Tielemans, sein 15-jähriger Sohn, sein Bruder und zwanzig andere wurden kaltblütig erschossen. Tielemans wird verantwortlich gehalten für den Tod Stengers. Während der Hinrichtungen müssen die Frauen und Kinder die ganze Nacht vom 19. bis zum 20. August auf dem brennenden Marktplatz stehen bleiben. Erst am frühen Morgen dürfen sie endlich nach Hause zurückkehren.

Aber ein bisschen später erklingt ein neuer Befehl: die ganze Stadt muss geräumt werden. Alle Einwohner müssen sofort die Stadt verlassen. Sie werden ausgetrieben und fliehen weg. Mit Sach und Pack verlässt eine Menge Menschen, vor allem Frauen und Kinder – man schätzt dreitausend – die Stadt. Unter ihnen auch Frau Tielemans, die Ehefrau des Bürgermeisters, und ihre Tochter. Die Flüchtlinge ziehen in benachbarte Dörfer, zur Küste und nach Antwerpen. Viele fliehen in die Niederlande, nach Frankreich oder England.

Aarschot ist eine tote Stadt und bleibt verwaist zurück.

Drucken Teilen

Menux